Seit Jahren streiten Politiker, ob Deutschland nach einem Hackerangriff auch im Netz zurückschlagen darf. Nach SPIEGEL-Informationen hat die Bundeswehr nun erstmals gemeldet, dass sie dazu in der Lage wäre.
Samstag, 16.06.2018
Die Cybertruppe der Bundeswehr könnte im Fall eines Hackerangriffs auf deutsche Rechner und Netze mit einem sogenannten Hackback zurückschlagen. In einem internen Bericht vom April schreibt das Verteidigungsressort erstmals, die Hacker des gerade erst aufgestellten Zentrums Cyberoperationen seien mittlerweile “in der Lage, aktiv im Cyberraum aufzuklären und zu wirken”.
Der unscheinbare Satz markiert für Kenner eine neue Qualität. So versteckt sich hinter dem schlichten Wort “wirken” im Militär-Deutsch nicht weniger als ein offensiver Angriff, in diesem Fall statt mit Bomben oder Artillerie eben mit Cyberwaffen durch Hacker in Uniform.
Bundeswehr-Hackertruppe soll aufgestockt werden
Bisher hatte die in Grafschaft bei Bonn stationierte Bundeswehreinheit Gegenschläge im Netz – sogenannte Hackbacks – praktisch nur in Planspielen und abgetrennt vom Internet getestet. Ebenso gelang es den Hackern, die bis zum April in der Einheit Computer Network Operations (CNO) agierten, in einem Geiselfall in die Server eines afghanischen Mobilfunkbetreibers einzudringen.
Ob der Bundeswehr echte Gegenschläge – also zum Beispiel das Ausschalten eines Servers, von dem eine Attacke ausgeht – erlaubt werden sollen, wird in der Politik kontrovers diskutiert. Die vorige Bundesregierung hatte das heikle Thema mehrmals im Bundessicherheitsrat erörtert, ein Rechtsgutachten bestellt, die Entscheidung aber am Ende vertagt.
Trotzdem betont das Verteidigungsministerium, wie wichtig die neue Fähigkeit der Bundeswehr ist. Der Ausbau der offensiven Mittel der Cybertruppe, so das als Verschlusssache eingestufte Papier, sei ein “essenzieller Beitrag zur gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge”, betont das Ministerium. Deshalb soll die Hacker-Truppe nach SPIEGEL-Informationen von knapp 100 auf 300 Mann aufgerüstet werden.
Künftige Bedrohung: Quantencomputer
Das Ministerium warnt in seinem Papier zudem davor, dass der technologische Fortschritt etwa durch Quantencomputing zu “einer neuen, vielleicht sogar kritischen Bedrohungslage” führen könne. Quantencomputer könnten dereinst “sämtliche derzeit üblichen asymmetrischen Kryptoverfahren” zur Verschlüsselung überwinden.
Zwar wird seit Jahren, nicht zuletzt in Europa, an Verschlüsselungsverfahren geforscht, die heutige Algorithmen ersetzen könnten und auch Quantencomputer vor praktisch unlösbare Probleme stellen würden. Die Analysten sparen dennoch nicht mit düsteren Warnungen. Durch die neuen Computer könne eine “fundamentale Bedrohung wesentlicher kritischer Infrastrukturen” entstehen – etwa im Banken-, Bahn- oder Flugverkehr.
Quantencomputer sind beim Lösen bestimmter Probleme erheblich leistungsstärker als herkömmliche Rechner; Prototypen waren 100 Millionen Mal schneller als aktuelle Computer. Die US-Konzerne IBM, Microsoft und Google liefern sich ein Wettrennen in der Entwicklung mit chinesischen Wettbewerbern wie Baidu. Die EU-Kommission legt eine “Quanten-Flaggschiff”-Initiative im Wert von einer Milliarde Euro auf, China baut gerade ein Quantenlabor für zehn Milliarden Dollar.
Eine Studie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik warnt vor der rasanten Entwicklung der Quantencomputer und plädiert für “eine starke nationale Cybersicherheitsbehörde”.
from: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/bundeswehr-hacker-sind-bereit-zum-hackback-a-1213192.html
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