CyberWarfare / ExoWarfare

Harsche Kritik an Cyber-Militärischer Agentur ADIC der Bundesregierung

Bekommt die Bundeswehr bald Zuwachs an neuen Waffen? CC-BY-SA 2.0 Tobias Nordhausen

 

Die Bundesministerien für Inneres und Verteidigung gründen eine Agentur für Innovationen in der Cybersicherheit. Vordergründig soll es um die Entwicklung von Sprunginnovationen gehen. Kritiker*innen sehen die Neugründung als Vorstoß zur Militarisierung des digitalen Raumes.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Innenminister Horst Seehofer gaben gestern auf einer Pressekonferenz die Gründung einer Agentur für Innovationen in der Cybersicherheit (ADIC) bekannt. Ihren Angaben zufolge liegt der Fokus der neuen Behörde auf der Entwicklung von Sprunginnovationen und der Gewährleistung der inneren sowie der äußeren Sicherheit. Details verrieten die beiden Regierungsmitglieder kaum, bemühten sich jedoch, den Eindruck zu vermeiden, das Ganze sei ein primär militärisches Projekt. Die Notwendigkeit einer neuen Agentur begründen sie damit, dass Deutschland im digitalen Raum mit einer asymmetrischen Gefahrenlage konfrontiert sei und im internationalen Vergleich in den Bereichen Cybersicherheit und Innovationstechnologien hinterherhinke.

Um dieses Problem zu bewerkstelligen soll die ADIC weniger bürokratisch aufgebaut sein, direkt zu Beginn eines Entwicklungsprozesses Wagniskapital in ein Projekt investieren und die Produkte bis zur Marktreife fördern.

Zur Verwirklichung dieses Ziels werden der ADIC innerhalb der nächsten fünf Jahre 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Davon sollen etwa 80% in innovative Forschung fließen. Die ADIC wird als sogenannte Inhouse-Gesellschaft unter der Verantwortung des Bundesministeriums für Verteidigung und des Ministeriums für Inneres, Bau und Heimat stehen.

Über den Standort, den strukturellen Aufbau und die Gestaltung der Personalplanung schwiegen die Offiziellen sich bislang aus – auch auf der gestrigen Pressekonferenz. Dies dürfte sich erst Ende des Jahres ändern, wenn die ADIC ihre konkrete Arbeit aufnimmt. Es gab in der jüngeren Vergangenheit aber einige Berichte über die mögliche Personalanzahl und den Standort. Bekannt ist, dass ein Teil der Leitung des Aufbaustabes der ADIC Oberst im Generalstab Frank Werner Trettin und Dr. Myriam Boecke sind. Letztere stellte die ADIC auf einer Tagung der Universität der Bundeswehr in München vor. Dies und die Finanzierung durch das Ministerium für Verteidigung zeigen die Nähe zur Bundeswehr und deren potenziellen Einfluss auf die Prozesse innerhalb des ADIC unverkennbar auf.

Das Internet, das GPS und die Spracherkennung

Die Leiter*innen des Aufbaustabes sowie die beiden Minister*innen erwähnen immer wieder die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) als Vorbild für die eigene Arbeit. Aus diesem Grund richten wir einen kurzen Blick auf diese US-amerikanische Forschungsagentur. Die DARPA untersteht ebenfalls dem Verteidigungsministerium, aber agiert unabhängig von deren militärischer Forschungsarbeit. Die Forschung findet in verschiedenen themengebundenen Abteilungen statt, die alle einem Projektmanager unterstehen. Innerhalb dieser Abteilungen findet noch einmal eine Zergliederung statt, die die Förderung von dutzenden Projekten ermöglicht. Diese beschäftigen sich dann mit einer Themenpalette von Gen-Forschung bis hin zu automatisierten Waffensystemen. Außerdem veranstaltet die DARPA regelmäßig Forschungswettbewerbe mit hohen Preisgeldern für die Gewinner.

In den letzten Jahren häufte sich die Kritik an der DARPA. Man wirft ihr vor, sich zu sehr auf die Terrorismusbekämpfung zu fokussieren und nur noch für die Bedürfnisse der Armee zu forschen, anstatt in zivile Projekte zu investieren. Ursula von der Leyen hob während der Pressekonferenz gestern jedoch Errungenschaften der DARPA hervor: „Es gibt drei prominente Beispiele was aus dieser Agentur entstanden ist, nämlich das Internet, das GPS und die Spracherkennung im Handy.“ Die Ministerin wählte also Beispiele aus, deren zivile Nutzung heute an der Tagesordnung ist. Dabei lies sie bewusst außer Acht, dass das GPS-System zunächst zu militärischen Zwecken genutzt wurde. Ein Sponsoring der DARPA ermöglichte die Entwicklung der Kampf-Drohne „Predator“. Auch die umstrittene „Gene-Drive“-Methode, über deren Verbot die UN debattiert, wird von der DARPA erforscht. Und ohne die Grundlagenforschung des „Total Information Awareness Program“, einer ehemaligen Abteilung der DARPA, gäbe es viele Technologien der staatlichen Überwachung in dieser Form heute womöglich nicht.

Von der Ministerin ebenfalls unerwähnt blieb gestern die Tatsache, dass die US-Agentur mit einem jährlichen Budget von über drei Milliarden Dollar ausgestattet ist. In Anbetracht der deutlich geringeren Mittel für die ADIC nun die Erfindung eines zweiten Internets in Aussicht zu stellen, ist also gleich doppelt irreführend. Um solche Ziele zu erreichen müsste deutlich mehr Geld in die Hand genommen werden, doch anstatt es in eine Miniatur-Nachbildung der DARPA zu investieren und so die quasi-militärischen Ausgaben zu erhöhen, könnte man mit dem Geld dann gleich die zivile Forschung stärken.

Zivilgesellschaft warnt vor Militarisierung des digitalen Raumes

Ähnliche Kritik wie an der DARPA wird hierzulande auch bereits an der ADIC laut: Forscher*innen, die abhängig von der finanziellen Förderung der Agentur sind, könnten sich gezwungen sehen, den Fokus ihrer Forschung so abzuändern, dass sie eher den militärischen Bedarf bedient.
Unter den Kritiker*innen ist auch der Chaos Computer Club, der in einem Statement fordert „die deutsche Cybersicherheits-Strategie strikt defensiv auszurichten.“ Der Club hat starke Zweifel an der propagierten Ausrichtung der ADIC: „Die Ausrichtung unter der Ägide von Innen- und Verteidigungsministerium lässt große Zweifel aufkommen, ob es hier wirklich um Cybersicherheit und nicht vielmehr um die Ausweitung der Cyber-Bewaffnung geht.“ Ob offensive Angriffe im digitalen Raum überhaupt rechtens sind, ist schließlich umstritten.

Wir sehen uns also mit einer weiteren potenziellen Militarisierung des digitalen Raumes konfrontiert. Die Kritik des Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz (Die Grünen) schlägt in die gleiche Kerbe. Von Notz äußerte sich in einem Interview mit dem SWR wie folgt: „Die Militarisierung des Internets, also eines Raumes den wir alle jeden Tag zivil nutzen, die führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern die bringt eine ganz starke Unsicherheit und viele rechtliche Probleme mit sich.“

Interessanterweise setzt sich das Bundesaußenministerium auf UN-Ebene für die Ächtung von Cyberwaffen ein. Konterkarierende Handlungen auf der innenpolitischen Ebene erleichtern dieses Vorhaben sicher nicht und schwächen die Glaubwürdigkeit gegenüber anderen Staaten.

 

from: https://netzpolitik.org/2018/harsche-kritik-an-cyber-militaerischer-agentur-der-bundesregierung/

 

Die Bundesregierung hat heute die Gründung einer “Agentur für Disruptive Innovation in der Cybersicherheit” (ADIC) beschlossen. Gegenstand dieser Agentur ist die Finanzierung und Förderung von ambitionierten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mit hohem Innovationspotenzial auf dem Gebiet der Cybersicherheit. Mit der Förderung von Forschungsvorhaben in Schlüsseltechnologien mit Bedeutung für die innere und äußeren Sicherheit sollen Sicherheitstechnologien in Deutschland gehalten werden.

Die in der Agentur wird – zum Teil auch wagnisbehaftete – Forschungs- und Ideenfinanzierung zielgerichtet finanziert. Die Agentur soll in neu aufkommende Technologien mit Potenzial für Sprunginnovationen in der Cybersicherheit investieren und Ideenträgerinnen und Ideenträger – zeitlich befristet, aber mit hohem Mitteleinsatz – fördern. Sie gehört als Inhouse-Gesellschaft zu 100% der Bundesrepublik Deutschland und wird gemeinsam vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) und dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) getragen.

Förderung von Forschungsvorhaben

Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte: “Mit der Einrichtung der Agentur soll Deutschland bei der Cybersicherheit im internationalen Vergleich die Führung, aber zumindest eine Spitzenposition übernehmen”. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ergänzte, dass der Staat in der digitalen Welt eine Schutzfunktion wahrnehmen und Eigenverantwortung übernehmen müsse. Bundesinnenminister Seehofer fügte hinzu: “Die Bundesregierung dürfe nicht zusehen, wenn der Einsatz sensibler Informationstechnik mit hoher Sicherheitsrelevanz in Deutschland von Drittstaaten kontroliiert wird”.

Die neue Cyberagentur setzt bereits bei der Grundlagenforschung an und ist aufgrund ihrer Aufgabenstellung als Ergänzung zum “Cyber Innovation Hub (CIH)” des BMVg oder der “Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS)” des BMI zu sehen.

 

from: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2018/08/cyberagentur.html

 

 

“Der Monitor für Defence und Sicherheitspolitik”

 

BMVg und BMI wollen Mini-DARPA gründen

Die Bundesregierung will in Sachen Cybersicherheit offenbar den Sprung vom Zweitligisten an die Weltspitze versuchen. Dazu soll möglichst noch in diesem Jahr die Agentur für Disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien (ADIC) gegründet werden, wie der Leiter des ADIC-Aufbaustabes, Oberst Frank Werner Trettin, am Donnerstag auf der 32. AFCEA-Fachausstellung in Bonn ankündigte.

Die Aufgabe der ADIC werde es sein, Bundesministerien, Wirtschaft und Wissenschaft  bei Forschungsvorhaben zur Cyber-Sicherheit einzubinden, erläuterte Trettin. „Wir müssen die Forschungslandschaft koordinieren und steuern.“ Dabei geht es offenbar vor allem um Grundlagenforschung, bei der ein marktverwertbares Ergebnis nicht zwingend am Ende stehen muss.

Als  Vorbild diene die DARPA in den USA. Das Kürzel steht für Defense Advanced Research Projects Agency. Deren Mission ist es, „to make pivotal investments in breakthrough technologies for national security“, wie es auf der DARPA-Homepage heißt. Dadurch wollen die USA sicherstellen, dass das Land Initiator und nicht Opfer von strategischen Überraschungen im Feld der Technologie wird. Die Gründung der Agentur erfolgte vor 60 Jahren unmittelbar nach dem Sputnik-Schock.

Während die DARPA jedoch ein breites Forschungsspektrum abbildet, beschränkt sich die ADIC auf das Gebiet der Informationstechnologie. Das wird sich auch in der finanziellen Ausstattung widerspiegeln: Im Gegensatz zur DARPA, die über 2,5 Mrd USD pro Jahr verfüge, könne die ADIC womöglich mit einer halben Milliarde EUR ausgestattet werden, sagte Trettin. Er schränkte jedoch ein, dass es vermutlich mehr als ein Jahrzehnt dauern wird, bis ein dreistelliges Millionenbudget erreicht wird.

Finanziell getragen wird die neue Agentur zu gleichen Teilen vom Verteidigungs- und vom Innenministerium (BMI). Ein Passus dazu findet sich  im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Dort heißt es: „Zur Sicherstellung technologischer Innovationsführerschaft werden wir unter Federführung des Bundesministeriums der Verteidigung und des Bundesministeriums des Innern eine „Agentur für Disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien“ (ADIC) sowie einen IT-Sicherheitsfonds zum Schutz sicherheitsrelevanter Schlüsseltechnologien einrichten.“

Bis zum Wochenende läuft noch die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für die ADIC, wie Trettin ausführte. Erst danach soll die Rechtsform und der zukünftige Standort festgelegt werden. Nach Aussage des Bundeswehr-Offiziers wird eine parlamentarische Entscheidung zur ADIC noch vor der Sommerpause angestrebt, so dass bis Ende des Jahres die Gründung erfolgen kann. Spätestens ein Jahr nach Gründung soll die Agentur aufgebaut sein.

Während die DARPA über 140 Mitarbeiter verfüge, solle die ADIC mit der Hälfte auskommen. Wobei es sich nicht unbedingt um Vollzeit-Stellen handeln wird. Man wolle „schlank und agil“ agieren sowie über flache Hierarchien verfügen, sagte Trettin. Dabei werde durchaus daran gedacht, mit anderen europäischen Partnern – etwa Frankreich – zusammenzuarbeiten.

Die Einrichtung der ADIC hat dem Vernehmen nach einen wesentlichen Impuls durch den Wunsch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron erhalten, eine ähnliche Agentur auf europäischer Ebene einzurichten.

Die Forschungsförderung der ADIC wird nach Aussage von Trettin in erster Linie externe Forschungseinrichtungen einbinden.  Dabei sollen Aufträge bei Bedarf auch an ausländische Labors vergeben werden. Für Aussagen zu möglichen Forschungsfeldern sei es noch zu früh, sagte Trettin. Er kann sich jedoch als Pilotprojekt die Erforschung von Quantencomputern vorstellen.

Auf der zweitägigen AFCEA-Fachausstellung zum Thema Informations- und Kommunikationstechnik im Bonner Maritim Hotel waren in diesem Jahr 149 Aussteller vertreten – ein Plus gegenüber 2017 von 13 Ausstellern.

lah/12.4.2018