Desillusionierte Pioniere: Jan Andresen und Marcel Yon sollten die Armee und Start-ups verbinden
Bild: Jonas Holthaus für WirtschaftsWoche
Am Tag, als Jan Andresen lernt, wie unangenehm Mobbing sein kann, hat er noch nicht mal sein neues Büro fertig eingeräumt. Anfang Mai vergangenen Jahres tritt er seinen Job bei der Bundeswehr an, im neu gegründeten Cyber Innovation Hub soll er seinem Arbeitgeber helfen, Kontakte zu jungen Technologieunternehmen zu pflegen.
Schon am 5. Mai erhalten seine Vorgesetzten im Verteidigungsministerium eine E-Mail, in der behauptet wird, Andresen und sein Kollege Marcel Yon konsumierten regelmäßig Drogen.
Die beiden fahren spontan zu einem Krankenhaus, lassen Haar- und Urinproben nehmen, der Verdacht wird ausgeräumt. Sie wissen an diesem Tag noch nicht, dass die Drogen-E-Mail nur der Auftakt einer Serie von Verdächtigungen sein wird. Mehrere Beschuldigungen, die bei der Dienstaufsicht eingingen, liegen der WirtschaftsWoche vor. Keiner der Vorwürfe, so das Verteidigungsministerium auf Anfrage, ließ sich erhärten, dennoch verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Andresen, ein Exmanager und erfolgreicher Unternehmer, der schon als Gymnasiast seine erste Firma gründete, wird Ende Oktober die Bundeswehr verlassen.
Mit dem Rückzug verliert die Bundesregierung nicht nur eine Führungskraft, sondern auch eine Illusion. Der Cyber Innovation Hub soll der Bundeswehr und ihrem schwerfälligen Beschaffungswesen eigentlich einen Zugang zu Start-ups verschaffen, die schon aus kulturellen Gründen kaum mit einer staatlichen Großbehörde zusammenarbeiten würden. Dafür kopierte die Bundeswehr eine Strategie aus Konzernen: Sie legte sich ein agiles Beiboot zu, das ähnlich arbeitet wie Unternehmen aus der Gründerszene. Im Hub, der seinen Etat von zehn Millionen Euro je zur Hälfte für den eigenen Betrieb und für die Förderung ausgibt, sieht zumindest vieles so aus. In den großzügigen Lofts hängen Post-its und gerahmte Sinnsprüche über gegerbten Ledersofas an den weiß gekalkten Backsteinwänden. Die meisten Mitarbeiter sind per Du. Doch das war die Fassade und damit nur ein Teil der Realität. Die Illusion bestand darin, dass solch ein Digitalbetrieb reibungslos mit dem Militärapparat zusammenarbeiten könnte. Doch das Imperium schlug zurück.
Dabei finden bis zu 80 Prozent der militärisch relevanten Entwicklungen im Cyberbereich statt, schätzt man im Verteidigungsministerium. Und die Bundeswehr-Experten wissen, dass sie mit ihrem für Einkäufe aller Art zuständigen Bundesamt für Ausrüstung Information und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) schlecht aufgestellt sind, um ihre Soldaten mit modernen Geräten auszustatten. Für die Welt der Cybersicherheit gilt das erst recht. Angelehnt an Vorbilder in den Vereinigten Staaten und in Israel, entstand daher nicht nur der Hub. Zusätzlich soll demnächst eine weitere, von Verteidigungs- und Innenministerium gemeinsam finanzierte Agentur für Innovation in der Cybersicherheit Innovationen aufspüren und finanzieren.
Der Cyber Innovation Hub ist trotz allem zumindest formal ein Teil der Bundeswehr. Für seine 32 Beschäftigten, von denen viele aus der Gründerszene kommen, gelten deshalb ähnlich strenge Regeln wie für Soldaten. Etwa beim Drogenkonsum: Während Zivilisten beispielsweise kleine Mengen Cannabis besitzen, aber nicht damit handeln dürfen, ist für Soldaten auch Kiffen streng verboten. Für den Einkauf von Material, die Auswahl und Beförderung von Mitarbeitern, die Genehmigung von Dienstreisen und die Bekleidung am Arbeitsplatz gibt es rigide Vorschriften – und Kontrolleure im Ministerium, die streng auf jede Quittung gucken.
https://www.wiwo.de/my/politik/deutschland/bundeswehr-ein-mobbingfall-erschuettert-den-cyber-innovation-hub/23088980.html